Berlin - Nach dem Schock des ersten sportlichen Abstieges aus der Bundesliga 1979/80 formiert Hertha BSC unter Trainer Uwe Klimaschefski eine Mannschaft mit vielen neuen Gesichtern. Mit zahlreichen Neuzugängen gehen die Blau-Weißen in die 22 Mannschaften umfassende und mit 42 Saisonspielen anstrengende Saison 1980/81 der 2. Bundesliga Nord. Drei Ziele gibt die Vereinsführung für die von Kapitän Holger Brück angeführten Blau-Weißen aus: Eine Platzierung vor dem Lokalrivalen Tennis Borussia, einen gesicherten Tabellenplatz als Basis zur Teilnahme an der eingleisigen 2. Bundesliga 1981/82 und im besten Fall die direkte Rückkehr ins Oberhaus. Nach drei Niederlagen in den ersten vier Partien wird allerdings deutlich, dass in der 2. Liga ein rauer fußballerischer Wind weht. Zwar zeigt die Leistungskurve nach zwei Siegen in den folgenden drei Punktspielen und dem Weiterkommen in der ersten DFB-Pokal-Runde wieder nach oben, doch mangelt es noch an Kontinuität.
Der Wechsel aus der Dom- in die Mauerstadt
Hertha BSC ist deshalb auf der Suche nach einer weiteren Verstärkung und wird auf den 22-jährigen Jürgen Mohr aufmerksam, der beim 1. FC Köln unter Vertrag steht. Präsident Wolfgang Holst kontaktiert die Domstädter und lädt Mohr zu einem Probetraining ein, bei dem der Spielmacher auf Anhieb überzeugen kann. Beide Vereine einigen sich für eine Summe von 50.000 DM auf eine Ausleihe des Spielmachers bis Saisonende. Mohr, der im Starensemble des ambitionierten DFB-Pokal-Finalisten eher geringe Aussichten auf Einsatzzeiten erwartet, sieht in dem Wechsel in die 2. Bundesliga und die bevölkerungsreichste und durch die Mauer geteilten Großstadt eine Chance zur fußballerischen und persönlichen Weiterentwicklung.
Nach der Premiere geht es bergauf - Pokalfinale und Aufstieg zum Greifen nah
Sein Debüt im blau-weißen Trikot ist mit großen Erwartungen verbunden, die Mohr mit seinem Premierentreffer beim 4:1 gegen die Spielvereinigung Erkenschwick im Berliner Olympiastadion auch gleich erfüllt. Es ist der Start einer Serie, in der die Berliner elf von 14 Punktspielen gewinnen, darunter ein 8:0 gegen Wattenscheid sowie ein 2:0 im Derby gegen Tennis Borussia. Nach der Hinrunde belegt Hertha BSC einen aussichtsreichen zweiten Tabellenrang, der zur Teilnahme an den Relegationsspielen zur Bundesliga berechtigt. Zudem ziehen die Berliner nach zwei Erfolgen gegen den FV Würzburg und den SV Darmstadt ins Achtelfinale des DFB-Pokals ein.
Nach der Pause setzen die Blau-Weißen im neuen Jahr die Erfolgsserie in der Liga mit zehn Siegen, darunter der zweite Derbysieg bei Tennis Borussia (4:1), aus zwölf Spielen fort. Im Februar schalten die Berliner im DFB-Pokal zudem Bayer Uerdingen und den amtierenden DFB-Pokalsieger Fortuna Düsseldorf aus und erreichen zum vierten Mal das Semifinale des prestigeträchtigen Wettbewerbs. Bei der Auslosung hat Hertha aber kein Losglück und muss Anfang April beim viertplatzierten Erstligisten Eintracht Frankfurt antreten, wo sich die Elf von der Spree im Waldstadion nach großem Kampf geschlagen geben muss. Jürgen Grabowski, Frankfurter Idol und Fußball-Weltmeister 1974, attestiert den Berlinern eine Leistung, "über die man ins Schwärmen geraten konnte".
Trotz Rekordmarken: verpasste Rückkehr ins Oberhaus
Zwölf Tage später kommt es gegen Werder Bremen zum großen Showdown der beiden Erstplatzierten der 2. Bundesliga Nord vor 72.000 Zuschauern im Olympiastadion. Die Herthaner müssen nach einer Führung zur Halbzeit kurz vor Spielende den entscheidenden Gegentreffer hinnehmen und rutschen nach dieser bitteren 1:2-Niederlage sogar auf den dritten Tabellenrang ab. Die Mannschaft gibt sich jedoch nicht auf und trifft Mitte Mai nach fünf aufeinanderfolgenden Siegen als Tabellenzweiter auf die mit einem Punkt dahinter platzierte Elf von Eintracht Braunschweig. 69.000 Zuschauer wollen der Vorentscheidung um den Relegationsplatz beiwohnen. Doch trotz einer Halbzeitführung reicht es nicht einmal zu einem Remis, das die Gäste zumindest auf Distanz gehalten hätte. Als sich die Braunschweiger auch in Aachen keine Blöße geben und bei der bis dahin zu Hause unbesiegten Alemannia gewinnen, ist die letzte Chance auf die vor wenigen Wochen schon sicher geglaubte Rückkehr in die Bundesliga dahin. Mit den meisten Saisonsiegen (31) und der für die 2. Bundesliga neuen Rekordmarke von 123 Treffern sowie dem mit Abstand besten Torverhältnis (+81), verpassen die Berliner auf dem undankbaren dritten Tabellenplatz hinter den beiden Bundesliga-Absteigern aus Bremen und Braunschweig nicht nur den direkten Aufstieg, sondern mit einem Punkt Rückstand auch die beiden Relegationsspiele.
Jürgen Mohr, der die Anhänger immer wieder mit seinem unnachahmlichen Hüftwackler und zentimetergenauen Pässen in Begeisterungsstürme versetzt, steuert neun Treffer in 34 Spielen bei und avanciert zum Dreh- und Angelpunkt der Blau-Weißen. Nach der Saison verpflichtet Wolfgang Holst den Mittelfeldstrategen, der in der Angerburger Allee heimisch geworden ist, für eine Ablösesumme von 300.000 DM endgültig vom 1. FC Köln und stattet ihn mit einem Zweijahresvertrag aus.